Aus der Diaspora kommt der jemenitische Jude Sallah Shabati mit seiner kinderreichen Familie als Einwanderer nach Israel. Im Lande angekommen versucht der Patriarch, vollkommen unangepasst an die europäisch-geprägte Kultur des gerade gegründeten Staates Israel, durch verschiedenste Projekte und mit viel List an Geld zu gelangen, um eine Wohnung zu finanzieren. So müssen sich er und seine Familie durch den Dschungel der Bürokratie des europäischen Establishments schlagen und zumindest die Grundbegriffe der im Einwanderungslager und dem daran angrenzenden Kibbuz herrschenden sogenannten Demokratie lernen - auch wenn diese dem guten Menschenverstand manchmal widersprechen.
Sallah mag ungebildet sein, ist aber mit Sicherheit kein Trottel. Wie der brave Soldat Schweijk wurde Sallah zum Synonym für die traditionsreiche humoristische Figur des schlauen Idioten, der absichtlich oder unabsichtlich (so genau weiß man das nie) das System auf den Kopf stellt, auf ihm und mit ihm spielt und am Ende über es obsiegt. Sallah ist eine Figur, die einem sogleich sympathisch ist, und das, obwohl er einige offensichtliche Charakterschwächen besitzt: Er ist ein miserabler Vater, behandelt seine Frau geringschätzig bis beleidigend, weigert sich, mit Frauen zu sprechen und ist bereit, seine älteste Tochter an den Höchstbietenden zu verkaufen. Zum seinen Hausstand gehört auch eine alte Frau, über deren verwandtschaftliche Verbindung mit der Familie Sallah ebensowenig weiß wie über die genaue Anzahl seiner Kinder, deren weibliche er grundsätzlich ignoriert. Außerdem ist Sallah faul und dem Sheshbesh (israelisch-arabische Variante des Backgammon) verfallen, das seine einzige Einnahmequelle darstellt, und hat seine ganz eigenen Vorstellungen von Geschäftemacherei. Aber an Geld zu kommen ist gar nicht so leicht, besonders da Sallah nicht gerade darauf versessen ist, zu arbeiten. Als seine Berufsbezeichnung gibt Sallah Schuster an, hat aber in seinem Leben noch keine Leiste gesehen.
Das nahegelegene Kibbuz hat sich entschlossen, die Bewohner der Maabarah (Flüchtlingslager) zu adoptieren, um ihre angeblich primitiven Bewohner zu zivilisieren. Die Sozialarbeiterin und Psychoanalytikerin Batsheva wird in das Lager geschickt, wo sich Sallah sogleich ihrer annimmt und sie seinerseits psychoanalytisch betreut. Der gutaussehende Kibbuznik Ziggy (gespielt von Arik Einstein, einem in Israel bekannten Sänger und Schauspieler) wiederum soll den Einwanderern beibringen, wie man die Bäume für den Wald des Jewish National Fund richtig zu pflanzen hat. Dieser Wald wird von amerikanischen Spendern finanziert, die dadurch geehrt werden, dass man den Wald nach ihnen benennt. Sobald das nächste Spenderpaar anreist wird freilich einfach das Hinweisschild ausgetauscht. Dieser Praxis bereitet Sallah ein recht abruptes Ende, woraufhin er fürderhin von der Arbeit freigestellt wird.
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Die Politiker haben in Sallah den starken Mann der Maabarah erkannt, der ihnen bei den anstehenden Wahlen die Stimmen des gesamten Flüchtlingslagers garantieren wird. Sallah geht aber nicht mit einer Partei einen Deal ein, die Stimmen gegen eine schöne Wohnung oder Bestechung zu liefern, sondern gleich mit allen Parteien. Wie versprochen stimmt er dann auch für jede Partei ? und das gleich mehrfach ? was unverständlicherweise die Wahl ungültig und die Aussicht auf die schöne Wohnung zunichte macht. Aber natürlich gibt es hier ein Happy End: Es folgt der alten Weisheit, dass man das bekommt, was man nicht will. Sallah verkündet lautstark, sich zu weigern, eine Wohnung in der neuen Siedlung zu beziehen, woraufhin die große Politik den ?dahergelaufenen Primitivling? zu seinem Glücke »zwingt«.
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Doch nicht nur Politiker, Regierungsbürokratie, europäische und hebräische Juden und das nahe Kibbuz, sondern auch seine heiratsfähige Tochter stellt Sallah immer wieder vor neue Herausforderungen. Diese nämlich will den jungen Kibbuznik (=Kibbuzmitglied) Ziggy heiraten, kann es aber nicht, da ihr Vater niemals in eine Ehe einwilligen wird, bei der nichts für ihn herausspringt. Er fordert natürlich eine Mitgift und der Busfahrer bietet schließlich 300 Pfund. Das sozialistische Kibbuz, in dem jeder besitzlos ist, weigert sich jedoch, den Brautpreis zu bezahlen. Woher nehmen? Aus dem Etat für Vieh? Da trifft es sich, dass auch der Sohn Sallahs sich verliebt: in eben jenes Mädchen aus dem Kibbuz, das dafür abgestellt war, als Sozialarbeiterin die Neueinwanderer zu integrieren, dabei aber auf voller Linie versagte.
Dieser erfolgreichste Film Israels (und, im Verhältnis der Zuschauerzahlen mit der Gesamtbevölkerung Israels 1964, der erfolgreichste Film aller Zeiten!) wurde als bester ausländischer Film für den Oscar nominiert und erhielt den Golden Globe (Topol bekam den Golden Globe als bester Schauspieler). Weitere Auszeichnungen waren drei Kinor-David-Preise für das beste Drehbuch, den besten Schauspieler und die beste Schauspielerin, der American Distributors' First Prize für die beste ausländische Regie und eine Auszeichnung der Viennale. Sallah war erst der zweite israelische Film überhaupt und wurde mit der selben Kamera gedreht, mit der auch die Tagesschau des Landes produziert wurde. Die Ursprünge des Filmes liegen in den 1950ern. Das Cameri-Theater bereitete eine Revue vor und Kishon wurde mit der Ausarbeitung eines Sketches beauftragt. Der Regisseur des Theaters weigerte sich jedoch, das vermeintlich minderwertige Stück zu spielen, weshalb Kishon das Stück einem 19-jährigen Feldwebel namens Chaim Topol beim Armee-Theater-Ensemble vorlegte. Auch diesem gefiel das Stück nicht sonderlich, aber Kishon setzte sich Rang und Alter gemäß durch. Das Stück, das zu diesem Zeitpunkt noch »Die neue Sozialarbeiterin« hieß, wurde ein unbeschreiblicher Erfolg. Topol gab den Sallah viele duzend Male, auf einem Lastwagen stehend, der als fahrbare Bühne das ganze Land eroberte. Diesen Sketch und einige weitere Stücke, die er für das Armee-Theater geschrieben hatte, fasste Kishon dann fast zehn Jahre später in dem Kinofilm zusammen, der von dem später sehr erfolgreichen Produzenten Menachem Golan produziert wurde. Kishon war ein absoluter Anfänger ohne Erfahrung im Filmemachen. Er berichtete, dass jedesmal, wenn in dem Film eine Bewegungszene vorkam, der Kameramann auf ein Wägelchen umringt von Kindern gesetzt und geschoben wurde.
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Der Film ist wohl der erste, der sich mit dem damals vorherrschenden Ideologie des sozialistischen Zionismus der Arbeiterpartei auseinandersetzte und dabei auch die sozialistischen Kibbuzim durch den Kakao zog. Kishon war selbst sowohl in der Maabara (Auffanglager) und in einem Kibbuz gewesen und wusste deshalb um die Um- und Zustände dort. So basiert etwa der Charakter des Sallah auf einem Mann mit dem Kishon in der Maabara zusammenlebte - nur dass das Original ein Lokomotivführer war, der noch nie Lokomotive gefahren ist. Praktisch alles wird wird in Sallah auf den Arm genommen: die Bürokratie, die noch junge israelische Demokratie, die Maabarot, der Jewish National Fund, jüdische amerikanische Spender und Touristen, Jekkes, Sabras, Aschkenasim und eben auch die Mizrachim - die Immigranten aus Nordafrika und Asien.
Einige Kritiker meinten, der Film stelle die ethnischen Minderheiten Israels als primitiv und unzivilisiert da, aber genauer betrachtet wird vorallem die europäische Mehrheitsgesellschaft Israels in diesem Film nicht verschont. Ihre Arroganz und Ignoranz wird selbstironisch offengelegt und ihre Schrullen genauso mit spitzer Feder traktiert wie die der afrikanisch-asiatischen Minderheit. Kishon arbeitet dabei mit Spott und Ironie aber ohne moralinsaure Schärfen. Der Film zeigt dabei eben auch, dass der Gegensatz Aschkenasi/Sephardi keine Einbahnstraße war, sondern auch die »primitiven« sephardischen Juden eine gewisse Ablehnungshaltung gegenüber den europäischen Juden besaßen: ?Aschkenasim sind gut fürs Im-Sheshbesh-Verlieren, nicht fürs Heiraten?. Das alles macht den Film zu einer sehr lustigen Komödie über einen eher schmerzvollen Abschnitt israelischer Geschichte, die in ihrer aufgeklärten Herangehensweise auch heute noch unerreicht ist.
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Der Titelheld basiert auf einem Mann, den Kishon im Auffanglager kennen lernte und der, obwohl er Lokomotivführer war, noch nie eine Lokomotive gefahren hatte. Gespielt wird Sallah von Chaim Topol, welcher durch diese Rolle in der Welt bekannt wurde. Topol, der späteren Star von Anatevka, spielt den Vater einer sechsköpfigen Familie im Alter von gerade einmal 27 Jahren. Der Titel des Films selbst ist ein Wortspiel. Sallach Shabati hat klangliche Ähnlichkeiten mit "Slicha She'bati" (סליחה שבאתי), eine hebräische Phrase, die soviel wie: ?Tut mir leid, dass ich gekommen bin? bedeutet.